Illustration Blog

Yattapatha, dass schönste Ende der Welt (von Nina Wiengarten)

Unberührt, still in erholsames Grün gebettet, sanft von der Sonne gestreichelt, die glanzvolle Natur, so mag es aussehen am Ende der Welt. Vielleicht habe ich es erlebt, vielleicht trage ich nun ein Stück vom Ende der Welt in meinem Herzen. Die Zeit auf dem ruhigen Fleckchen Erde, die ich mit Alli, Edna, Kamani und Familie durchlebt habe, hat mich mit neuer Kraft erfüllt.
Kaum am Flughafen angekommen, machten wir uns auf den Weg in Richtung Singharaja Garden. Mit dem vollbepackten Van versanken wir tiefer und tiefer in der satten grünen Landschaft, die uns schließlich vollends umhüllte. Die stickige Hitze Colombos ließen wir rasch hinter uns und eine kühle Brise wehte uns durch die Autofenster um die verschwitzten Nasen. Nach etwa vier Stunden erreichten wir auf holpriger Straße unser lang ersehntes Ziel: Yattapatha, das Tor zum srilankischen Dschungel.

Ich wurde sogleich herzlich in den familiären Kreis aufgenommen. Eine Zeit voller Naturerkundungen, Geschichten, Lachen und Freude sollte für mich beginnen. Direkt auf einem kleinen Hang gelegen, mit einem überwältigenden Ausblick auf grüne Täler und Berge, zeigte sich unser kleines Paradies, geküsst von purer Natur. Schon nach den ersten Stunden, so schien es mir, hatte ich das Gefühl für Zeit und Raum völlig verloren. Zur Einstimmung in die erholsame Zeit nahmen wir nahe des Hauses ein erfrischendes Bad in einem klaren Quellbecken, das von einem Wasserfall durchspült wurde, ein wahrer Naturpool, der uns in den kommenden Tagen regelmäßig Kühlung bot. Auf erste Erkundungstour begaben wir uns am folgenden Tag. Wir besuchten einige Hausbesitzer, die im Rahmen der „New Home Beruwala e.V.“ Projekte eine neue Bleibe erhalten hatten und kamen mit ihnen ins Gespräch über ihre neue Lebensentwicklung.
Die Zeit in Yattapatha brachte mich fern vom Stress des Alltags zurück zu vielen einfachen Dingen, zu denen ich in unserer übertechnisierten Welt den Bezug verloren hatte. Nie zuvor hatte ich erfahren, wie wohltuend die Abgeschiedenheit von der übereiligen, hitzigen Zivilisation ist. Um spätestens 6.30 p.m. verließ uns die „srilankische“ Sonne und schenkte uns die Dunkelheit. Bei Kerzenlicht und seicht lichtspendenden Lampen saßen wir jeden Abend auf der offenen Veranda zusammen, tauschten das Erlebte und unsere Gedanken aus, sangen, tranken mit den Freunden und Nachbarn ein Gläschen oder lauschten einfach nur dem Naturkonzert, das uns die Tierwelt, die Wälder, der Wind und der Wasserfall nahe des Hauses spielten, wir ließen uns einfach in Ruhe und Gemütlichkeit treiben. Ein ganz anderer, natürlicher Rhythmus spielte in mir. Fern von lichtverseuchten Städten, deren Künstlichkeit niemals pausiert, spürte ich das neue Ticken meiner inneren Uhr. Automatisch erwachte ich in der frischen Taukühle des Morgens und zeitig fielen mir die Augen in den frühen Abendstunden zu- die Natur gab nun den Lebensrhythmus vor, was für ein Gefühl, ich hatte es niemals gespürt! Einfach unerreichbar zu sein für die Probleme des Alltags die wir uns doch so oft selbst schaffen, keine tausend Telefonate führen zu müssen, sich nicht ständig dem Zwang ausgesetzt zu fühlen, sich den Kopf über die Zukunft zerbrechen zu müssen, die Angst in unserer Gesellschaft immer auf dem langsameren Zug zu fahren, sich dem allgemeinen Druck von Zeit und Terminen einfach ganz unverbunden zu fühlen – ich habe es genossen, diese Freiheit zu leben!

Dschungeltour Part 1
Feingearbeitete, breite Liegstühle aus srilankischem, schwerem Holz, waren unser Ruhepol auf der Veranda. Von dort sahen wir auf nebelverhangene Hügel, die hinter immergrüner Landschaft eine Dimension von Weite und Unendlichkeit vermuten ließen. Die Sonnenaufgänge waren ebenso unbeschreiblich schön. Das Gefühl von sanfter Wärme wachgeküsst zu werden, während goldenes Sonnenlicht mit schwerem Nachtnebel zusammentraf und ein faszinierendes Spiel von Farbreflexionen entstand – purer Seelenbalsam!
Die Natur, die uns so dankbar in ihren Schoß aufgenommen hatte, wollte ich genauer erkunden und so machten wir uns an einem der folgenden Tage zum nahe gelegenen Singharaja Regenwald auf, um zu einem im Dschungel gelegenen Buddhistentempel aufzubrechen.
Durch ein weites Teefeld drangen wir immer tiefer in das um uns dichter werdende Grün ein. Verhüllende Schatten von hoch in die Luft ragenden Bäumen und eine Vielfalt von mystischen Lauten öffneten das Tor zum Dschungel. Kunstvoll auf dem Boden verschlungene, schlangenähnliche Wurzeln bildeten, mit Erde und Steinen verschmolzen, einen Naturpfad, der uns zielsicher, tiefer und tiefer in das Geheimnis der faszinierenden Unberührtheit einführte.
Von Mal zu Mal bemerkten wir farbenfrohe, flinke Beobachter, die vorsichtig unseren Schritt von den saftigen Sträuchern unseres Weges beäugten. Echsen von verschiedenster Farbvielfalt versetzten uns ins Staunen. Wir kamen in den Genuss hoch oben in den Baumwipfeln Languhren-Affen anzutreffen. Es ist schon in seltsames Gefühl die Tiere live in freier Wildbahn beobachten zu können und nicht hinter der Glasscheibe im Zoo.
Irgendwo in der Ferne ein sanftes Rauschen, das mit jedem Schritt zunehmend intensiver durch unsere Ohren rann. Schließlich lichtete sich der eben noch verschlossene Wald und gab einen Strom frei, der klares Wasser über schweres Gestein trieb. Dann Nervenkitzel – über eine schmale Hängebrücke, schwindelig vom schnellen Wasserstrom unter unseren Füßen, erreichten wir nach wackligem Gang das nächste grüne Tor, das uns, begleitet von einem klaren Quellbach, zum Aufgang des Tempelgeländes führte. Ein langer aus Natursteinen zu einer Treppe geformter Aufgang verhieß das Ausziehen des Schuhwerks. Vorsichtig bedachten wir jeden Schritt, da der steinige Grund uns unfreiwillig eine sehr schroffe Reflexzonenmassage bescherte. Die strahlend weiße Dagoba war am Fuß eines wendeltreppenartigen Aufgangs zum Tempel erbaut und bildete die erste Station. In einer Spirale gingen wir zum Tempel hinauf, der kunstvoll mit einem großen Felsen verschmolzen war. Leider trafen wir keinen Mönch an, er hatte wohl gerade Ausgang. Vom Tempel aus führten die Aufgänge zu verschiedenen, kleinen Meditationshäusern, die verstreut in die Natur eingelassen waren. Das Anwesen war beeindruckend errichtet, insbesondere, weil es so plötzlich im verschlungenen Wald zum Vorschein kam.
Auf unserem Rückweg ließen wir uns an dem klaren Bach mit der Hängebrücke nieder und sprangen in das kühle Naturbecken, das die Steine umher auf natürliche Weise gebildet hatten. Ich ging ein Stück den Bachlauf entlang. Er wurde weit und das Wasser plätscherte seicht über ein Meer von Steinen, auf dem ich mich bis in die Bachmitte balancierte. Dieses Fleckchen hatte ich lieb gewonnen und so konnte ich mich nach einem trocknenden Sonnenbad nur schwer von der beeindruckenden Atmosphäre trennen, als wir den Heimweg antraten. Wir ließen das paradiesische Abenteuer nach dem Teefeld hinter uns.

Dschungeltour Part 2
Herausforderungen gilt es offen zu begegnen. Nach diesem Motto begaben wir uns an einem weiteren Tag auf unsere Dschungeltour Part 2. Dieses Mal stand der Trip jedoch unter dem Stern eines rauen Abenteuers. Es galt sich den Weg in unwegsamem Gelände mit der Machete frei zu schlagen. Mit der Vorahnung, mir nicht wirklich überlegt zu haben, worauf ich mich dieses Mal eingelassen hatte, schnallte ich mir meine einzigen geschlossenen Schuhe an die Fersen und folgte unserem charismatischen Guide Some. Dieser Mann ist ein Phänomen! Er versprüht urtümlichen Zauber, direkt in dem Moment, wenn man in seine tiefdunklen Augen blickt. Er hat wahrlich etwas Weises an sich. Mit der Natur im Einklang, lebt er seinen natürlichen Rhythmus im Herzen von Yattapatha. Jeden Gang tut er ohne Schuhe, dort wo die Steine selbst durch die Sohlen der Trekkingschuhe einen Druck an unseren Fußsohlen ausüben, schreitet er flink und zielstrebig ohne sich zu quälen. Der Hammer! Man könnte meinen, er sei einer der Ureinwohner Sri Lankas, ein Vedda, der noch nicht von Zivilisationsgedanken verseucht im Einklang mit Mutter Natur lebt – vielleicht ist er ja tatsächlich einer der Urbrüder?
Sich zwar der nahenden Strapazen bewusst zu sein, sich aber doch in Somes sicheren Händen wissend, folgten wir ihm, der schnellen Schrittes immer höher in die Landschaft kletterte. Trekkingstöcke erleichterten mir den teilweise gewagt steilen Aufstieg. Die sengende Hitze trieb uns in Sekunden den blanken Schweiß auf die Stirn. Umkehren?! Doch andererseits trieb mich etwas weiter und weiter. Ich konnte mir dieses Abenteuer nicht entgehen lassen. Wann bekam ich schon die Gelegenheit mich fern von touristischen Pfaden mit einem waschechten Naturburschen durch den Dschungel zu kämpfen? In einem Teefeld wandten wir uns um. Ein weiter Ausblick auf das Tal mit unserem geschrumpften Haus ließ die schwindelerregende Höhe vermuten, in die wir uns immer weiter hinaufkämpfen würden. Dann wurde es dunkel. Wir hatten den Dschungel erreicht.

Auf laubig glitschigem Grund zwängten wir uns durch enge Baumreihen und Sträucher, immer auf der Hut vor roten Ameisen, die mit ihren scharfen Schneiden Schmerzen, gleich einer Injektionsnadel, auslösen können. Äste schlugen uns entgegen, oft war der Weg so unwegsam, dass wir ein Stück umkehren und uns mit der Machete neu durch den Wald schlagen mussten. Es ging auf und ab, beim Aufstieg versagten meine Kräfte, ich hatte am Morgen kaum etwas getrunken. Beim Abstieg ließ ich mich erschöpft in die Arme der Schwerkraft sinken und rutschte mehr die Hänge herab, als dass ich einen festen Grund unter den Sohlen verspürte. Alle zehn Meter suchte Some eifrig die plagenden Blutegel von unseren Schuhen, die versuchten sich schmerzhaft durch die Socken fest zu beißen. Meine Grenze war erreicht! Die anderen trekkingerfahrenen Mitwanderer erfreuten sich des Trips und taten heiter ihren Gang. Mich nahm man schließlich an den Anfang der Truppe, in der Befürchtung mich mit meinem Kriechtempo irgendwo zwischen den Baumreihen aus den Augen verlieren zu können. Doch eines faszinierte mich immer wieder: Some. Ein Baum glich dem anderen, ein unheimlicher grüner Irrgarten schien uns verschluckt zu haben. Doch dieser Mann wusste genau wohin ihn seine Füße trugen. Mir war, als trüge er eine innere Landkarte samt Kompass mit sich. Sicher und behutsam führte er uns zu einem hoch auf einem Felsen gelegenen Aussichtspunkt, von wo wir in das grüne Tal blickten. Der Anblick linderte die Strapazen ein wenig und ruhig genoss ich die Momente auf dem Felsvorsprung, wo mein Körper merklich an Kraft zurückgewann. Dann der Abstieg.
Ich wollte am liebsten für immer dort oben sitzen bleiben, mich nur nicht wieder durch den Blätterkram herunterkämpfen. „Sollen wir dir einen 3-Wheeler bestellen?“, witzelten die anderen immer noch sichtlich gut gelaunt, über das wohl erbärmliche Bild, das ich als Wandermuffel abgegeben haben musste. Das hatte mir noch gefehlt, also Ohren auf Durchzug!
Letztlich spuckte uns das Dschungelmonster auf einem Teefeld aus, wo ich mir durch einen derben Ausrutscher eine stechende Schürfwunde zuzog – kommt vor! Aber das brachte mich nach allem innerlich zum Explodieren!

Wir rasteten bei dem Besitzer des Teefeldes, der, wie wahrscheinlich alle Dorfbewohner, mit Some vertraut war. Geschickt hastete er eine Kokosnusspalme hinauf, um uns mit dem durstlöschenden Wasser einer King Kokonut Erholung zu bescheren. Was für ein Bild, wie dieser kleine, alte Mann in der Krone des Baumes die schweren Nüsse kappte. Ich sog das nahrhafte Wasser in einem Zug in mich auf. Der Trip hatte meine Körpertemperatur auf gefühlte Fiebergrade erhitzt.
Ich sah mir die Umgebung nun prüfend an, sie kam mir tatsächlich bekannt vor. Freude kam in mir auf. Some hatte uns exakt an einen Punkt geführt, von wo ein schlängelnder Pfad nach einem kurzen Fußmarsch direkt an unserem Haus vorbeiführte – einfach unglaublich! Dieser Mann ist wahrlich eines von Gottes Meisterwerken.

In der Aussicht auf ein kühles Bad beschleunigte ich meinen Schritt und war heilfroh, als ich den Hang betrat, auf dem unser Quartier erholsam kaltes Wasser bereithielt. Fazit: Es war eine Erfahrung wert…aber nur eine!