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VOLONTARIATSBERICHT LYNN GÖDECKE 09.10.2013 – 14.02.2014

„Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen!“

Mit diesem Gedanken flog ich los. In das Land, von dem ich so sehr geträumt hatte und in das ich mich vor 2 Jahren im Urlaub verliebt hatte. Nach Sri Lanka.
Mit dieser Mischung aus Vorfreude und Angst, die sich zusammen so herrlich kribbelnd anfühlt, saß ich im Flugzeug.
Dies war der Anfang meines Gap-Years zwischen Abitur und Studium. Ein Jahr, an das ich viele Hoffnungen hatte. Ein Jahr, um meine Ziele und Werte auszuloten, mich zu orientieren und vor allem in eine andere, fremde und spannende Kultur einzutauchen.
Ich landete früh morgens in Colombo, Edna empfing mich sofort herzlich am Flughafen. Der erwartete Kulturschock blieb erst einmal aus, irgendwie konnte ich mich doch noch an vieles erinnern und ich freute mich einfach da zu sein.
Am frühen Morgen erreichten wir Yattapatha, die Sonne hatte gerade den Kampf gegen den Morgennebel gewonnen und die Vögel waren schon munter und laut. Und mir wurde klar, dass ich drei Monate im Paradies verbringen würde.
Auf der Lodge wurde ich von Alli, Tante Renate und den Angestellten so warmherzig begrüßt, dass es mir nicht schwer viel, mich zu Hause zu fühlen.
Nach ein paar Tagen hatte ich mich soweit an das tropische Klima gewöhnt, dass ich nicht mehr nach drei Schritten klitschnass geschwitzt war und begann mit der Arbeit auf der Lodge.
Zunächst half ich auf der Lodge, hauptsächlich in der Küche und bei allem anderen was so anfiel. Ich war etwas unsicher, mit der leisen und zurückhaltenden Art der Singhalesen umzugehen. Alle Gespräche gingen von mir aus und auch das etwas andere Englisch machten mir Probleme. Doch nach kurzer Zeit, hatte ich mich daran gewöhnt, quatschte einfach munter drauf los und ich glaube, die Jungs haben mich ins Herz geschlossen. Bereits nach wenigen Wochen waren wir ein richtig gutes Team. Ich hatte Spaß daran, die Gemüsenamen auf Singhalesisch zu lernen und jeden Tag ein bisschen schneller den Knoblauch zu hacken. Auch Upul beim Kochen zuzusehen und mit der Zeit auch immer mehr zu helfen, war faszinierend und sehr lehrreich, so dass ich inzwischen auch ganz gut allein die verschiedenen Currys zubereiten kann.
Als Alli mich das erste mal mit in den Regenwald nahm, war ich überwältigt von dem Grün, all den exotischen Pflanzen, bunten Vögeln und anderen Tieren, die man nur beim genauen Hinsehen erkennen konnte. Ich hatte so einen Spaß daran alle Namen und Eigenschaften zu lernen, dass ich bald meine erste eigene Dschungelwanderung mit den Gästen machen konnte. Das Gefühl im Dschungel zu stehen, all diese wahnsinnig schönen Geräusche zu hören und von der feucht-warmen Luft eingehüllt zu werden, das werde ich nicht vergessen.
Im November fuhr ich drei Wochen lang in die Minasro Pre-School im benachbarten Pelawatta und unterstützte dort den Unterricht. Allein die Busfahrten durch das kurvige Yattapatha waren schon ein Erlebnis, die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen, die ich beim Busfahren kennenlernte berührt mich immernoch. Trotz meines nur brüchigen Singhalesisch und den meistens fehlenden Englisch-Kenntnissen konnte ich sehr gut mit den Einheimischen kommunizieren. Eigentlich reichte schon ein Lächeln.
In der Pre-School waren die Kinder zunächst sehr scheu, aber als sich das erste Mädchen traute und meine Hand nahm, war der Bann gebrochen und ich war ständig umringt von vielen Kindern, die mich alle in unterschiedliche Richtungen zogen. Auch hier funktionierte die Kommunikation mit Händen und Füßen sehr gut, ich hatte viele der Kinder bereits nach wenigen Tagen in mein Herz geschlossen. In der Schule bastelte und malte ich mit den Kindern, lernt gemeinsam mit ihnen meine ersten Singhalesischen Buchstaben und korrigierte Hausaufgaben. Ich habe mich in der Schule sehr wohlgefühlt, auch wenn so ein Vormittag bei prallem Sonnenschein und Kindergeschrei durchaus anstrengend sein konnte. Schon in der Schule konnte ich die unterschiedliche Verhaltensweise von Mädchen und Jungen erkennen. Die Mädchen helfen einander und sind sehr fürsorglich, während die Jungs gerne noch mal draufhauen. Dass man diese gesellschaftlichen Rollenunterschiede schon bei so jungen Menschen so deutlich erkennen kann, hat mich doch erschreckt.
Als meine Zeit in der Schule vorbei war, war ich tatsächlich ein bisschen traurig, ich habe die Lehrerinnen und einige Kinder sehr in mein Herz geschlossen.
An diesem Wochenende fuhr ich mit Alli und zwei Gästen auf Safari zum Udawalawe Nationalpark. Es war so wunderschön, den Nationalpark im Morgennebel zu sehen. Im Vordergrund der Stausee, dahinter das nebelverhangene Hochland. So unglaublich viele Tiere in freier Wildbahn zu sehen war sehr beeindruckend. Das Highlight war ein circa drei Tage altes Elefantenkalb, das wir erstaunlich nah und lange beobachten konnten. Das war einer dieser Momente in Sri Lanka, in denen ich gemerkt habe, welch ein Wunder die Natur ist.
Danach begann auf der Lodge die Weihnachtssaison. Ich arbeitete wieder mit den Jungs zusammen, die mit Alli und Edna wirklich meine Familie geworden waren. Ich lernte mehr und mehr Singhalesisch und machte jeden Tag mit Edna Yoga. Ich habe damit ein neues Hobby entdeckt, was ich Dank meiner super Lehrerin Edna inzwischen auch ganz gut beherrsche und auf jeden Fall weitermachen werde.
Langsam kam jedoch auch der Tag näher, an dem meine Eltern nach Sri Lanka kommen und mich nach einer Rundreise wieder mit nach Deutschland nehmen würden.
Innerlich merkte ich, wie schwer es mir fallen würde, mein neues Zuhause zu verlassen. Am deutschen Winter reizte mich so gar nichts. Zum Glück sahen das auch Alli und Edna so, so dass ich ausnahmsweise mein Visum und meinen Aufenthalt verlängern und nach der Rundreise durch das wunderschöne und vielfältige Sri Lanka zurück auf die Lodge kommen konnte.
Auf der Rundreise habe ich noch einmal so viel von der Kultur und Natur Sri Lankas kennengelernt. Es ist wirklich ein wunderschönes Land. Ich war am Meer, im Hochland und am Neujahrsmorgen zum Sonnenaufgang auf dem Sri Pada.
Zurück auf der Lodge, war ich aber auch froh wieder „zu Hause“ zu sein und alle wiederzusehen. Der Alltag ging weiter, wobei ich gelernt habe jeden Tag als einen Besonderen zu schätzen. Ich stand früh auf, beobachtete den wabernden Morgennebel, lauschte den Vögeln und hatte einen Blick für all die kleinen Tiere entwickelt. Ich war voller Energie und jeden Tag glücklich.
Von Sameera lernte ich die Singhalesische Schrift zu lesen und zu schreiben und hab mich gefreut wie ein Kind, als ich die ersten Wörter entziffern konnte. Ich liebte es in der Küche zu sitzen, zu versuchen das schnelle Singhalesisch zu verstehen und mit den Händen Curry zu essen.
Ein weiteres Highlight war ein weiteres Mal auf den Sri Pada zu steigen, aber diesmal mit Edna und den Jungs. Die haben uns mühevoll jeden Tempel und jede Tradition erklärt und unterwegs angehalten um zu kochen und zu baden. Spätestens da habe ich mich wie ein richtiges Familienmitglied gefühlt.
Neben der Arbeit, hatte ich auch immer genug Zeit für mich. Ich konnte mir viele Gedanken um mein Studium machen und mich mit meiner Zukunft beschäftigen. Ich habe auch einige der oben angesprochenen Werte gefunden. Das Wichtigste, das ich gelernt habe, ist, welch ein Glück es ist in einem Land wie Deutschland geboren zu sein. Vergleichsweise faire Bildungschancen zu haben und die Möglichkeit einem Traum zu folgen und sich selbst zu verwirklichen. Eben keine Grenzen zu haben, wenn man den Blick hebt. Denn ich habe auch gelernt, dass die Welt voller unsichtbarer Grenzen ist, und dass den Blick zu heben auch nur bei uns Europäern hilft. Aus anderen Ländern kommend hat man oft gar keine Chance.
Ich habe fast fünf Monate in einem Land verbracht, in dem ich ganz andere Dinge als elementar empfunden habe, als in Deutschland. Jedem Menschen ein Lächeln zu schenken, die Natur zu beobachten und wertzuschätzen, sich mit dem Sitznachbarn im Bus zu unterhalten. Manchmal frage ich mich, warum wir in Deutschland so verschlossen sind. Ich glaube es liegt daran, dass wir nicht wirklich bei uns selbst angekommen sind und regelrecht Angst davor haben, ein anderer könnte unsere Fehler und Sorgen erkennen. Ich habe für mich gelernt, dass es wunderbar ist, sich anderen zu öffnen und so seinen Horizont zu erweitern. Für mich ist es nun wichtig nicht mehr nach Aussehen oder Herkunft zu bewerten, sondern jeder Persönlichkeit eine Chance zu geben, denn die meisten Menschen bekommen leider zu wenig Chancen.
Meine Zeit in Sri Lanka, hat mir vor allem geholfen bei mir selbst anzukommen und dafür bin ich Edna und Alli sehr dankbar.
Der Abschied aus Yattapatha fiel mir unglaublich schwer, auch wenn ich mit der Zeit einige Dinge in Deutschland vermisst habe. Meine Yattapatha-Familie ist mir unglaublich ans Herz gewachsen. Und ich freue mich jetzt schon auf meinen nächsten Besuch in Sri Lanka, der mit Sicherheit nicht all zu lang auf sich warten lässt!

Vielen, vielen Dank für diese unglaubliche und bereichernde Zeit!
Thank you so much for this incredible time I spent with you!

Lynn