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Mein Dschungelabenteuer begann im September 2012 /Volontärbericht von Marika Lenz

Ich kam aus einer leichten, deutschen Sommerbrise; fiel in Dubai, wo ich umsteigen musste, fast um, weil mich die Hitzewand so erdrückte; und kam schließlich im etwas gemäßigteren, trotzdem sehr schwülen Colombo an.
Nach über 20 Stunden Reise wurde ich sehr herzlich von Edna empfangen und lernte auch gleich Ajith kennen. Meine Ankunft kam Alli und Edna wohl ziemlich gelegen, denn Alli hatte einen Bandscheibenvorfall erlitten und war, während Edna mich vom Flughafen abholte, zur Untersuchung im Krankenhaus. Von dort kam die erste Hiobsbotschaft: Alli solle sich doch eine Woche stationär ins Krankenhaus begeben, um mit einem Physiotherapeuten seinen Bandscheibenvorfall zu kurieren und „notfalls“ zu operieren. Nachdem Alli aber Zweifel äußerte, erwiderte ihm der Arzt ziemlich verärgert: „Dann gehen sie doch nach Deutschland und lassen sie sich dort behandeln.“ – Das ist Sri Lanka, die Ärzte sind Autoritätspersonen. Was sie sagen, muss gemacht werden und kein Einheimischer würde sich trauen, dem zu widersprechen.

Den ersten leichten Kulturschock hatte ich schon auf dem Weg zur neuen Autobahn, denn mit dem deutschen Verkehr lässt sich der in Sri Lanka definitiv nicht vergleichen:
Die 4-spurige Straße wird dann schon mal in der Rush-hour von der einen Fahrtrichtung so belagert, dass in die eine Richtung drei Spuren belegt sind und die, die in die andere Richtung müssen, gerade so noch Platz haben, vorbei zu kommen. Jeder hupt: beim Überholen; zum Bedanken nach dem Überholen; um seinen Ärger über andere Fahrzeuge, die einem in den Weg kommen, auszudrücken; oder auch einfach nur, um gehupt zu haben. Dazu kommen Fußgänger, Rad- und Mopedfahrer und natürlich die Threewheeler, die sich überall durchschlängeln.
Die neuen Eindrücke rieselten nur so auf mich ein, dass ich mich auf der Autobahn einfach nicht mehr wach halten konnte und eingenickt bin.
Netterweise bin ich aber rechtzeitig geweckt worden, um noch mehr Eindrücke, diesmal abseits der Autobahn, sammeln zu können.
Die Natur war für mich phänomenal – überall Pflanzen, die ich noch nie in echt gesehen hatte oder nicht kannte. Lianen, die von Bäumen herunterhingen, exotische Blumen und überall Palmen! Und ich bekam einen ersten Eindruck von den ärmlichen Lebensbedingungen. Die Menschen wohnen in einfachen Häusern, teilweise noch in Lehmhütten. Zum Waschen müssen sie an einen Bach oder Fluss, weil es kein fließend Wasser gibt.

„Ja, Marika. Willkommen in Yattapatha!“ hieß es dann nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit über die Schlaglöcher der Straßen. Diesen Eindruck werde ich wohl nie vergessen: Es war unglaublich. Vor uns lag ein einladendes grünes Tal, überall Bäume. Ich kann es nicht beschreiben, aber irgendwie kam in mir ein Gefühl von Nachhausekommen auf.
Es sollte ja auch mein Zuhause werden für 3 Monate.
In diesen drei Monaten habe ich viel erlebt – zu viel, um alles erzählen zu können.

Mein erster „Ausflug“ mit Edna nach Pelawatta war etwas gewöhnungsbedürftig.
Erstens die ca. 12 km mit dem Threewheeler (stolze 2,3 PS!) die Schlaglöcher zu umrunden um nach über 30 Minuten (wenn nicht noch mehr) am Ziel anzukommen.
Zweitens wurden wir als weiße Frauen ziemlich „begafft“. Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich die ganzen drei Monate über wie ein Affe im Käfig, wenn wir irgendwo unterwegs waren wo keine anderen Weißen waren. Die Menschen haben teilweise noch nie weiße Menschen gesehen. Die meisten schauen einem hinterher, manche winken sogar auch. Es kann aber auch schon mal passieren, dass einem die Kinnlade runterfällt oder sich das ein oder andere Baby/Kleinkind erschrickt. Solche Vorfälle haben die Situationen allerdings wieder aufgeheitert, dass ich sogar im Nachhinein darüber lachen musste.
Drittens: die Singhalesen kennen keine Regeln wie wir sie in Europa gewohnt sind. Dazu gehört u.a. das geordnete Autofahren auf den Straßen oder auch das Einreihen in eine Schlange. In der örtlichen Bank geht man einfach an den Schalter, drängelt sich sogar manchmal vor, egal wie viele Menschen da sind. Daher war ich auch leicht verwundert, dass sich Edna (und später auch Alli) einfach vorne „angestellt“ haben und natürlich auch sofort drangekommen sind [was wahrscheinlich auch großteils an der Hautfarbe liegt ;)].
Auf dem Rückweg zur Eco-Lodge passierte natürlich, was passieren muss: Wir hatten einen platten Reifen. Wir hatten den kleinen Threewheeler überschätzt und zusätzlich zum ganzen Gemüse noch einen Sack Zement (50kg) eingeladen. Zum Glück hatten wir ein Ersatzrad dabei, aber leider keinen Wagenheber. Also anpacken und Threewheeler kippen, was jedoch nicht allzu schwer war.

Sich mit den Angestellten zu unterhalten, ist kein Problem, denn alle sprechen Englisch. Der eine etwas mehr und besser als der andere, aber dennoch ausreichend.
Mit ihnen hatte ich viele interessante und auch lustige Gespräche und Begegnungen.
Pradeep zum Beispiel konnte zu Beginn kaum glauben, dass ich mit meinen jungen 18 Jahren noch nicht verheiratet bin. In Sri Lanka ist es eben üblich, sehr jung zu heiraten. Oft verheiraten die Eltern ihre Töchter und suchen dazu per Zeitungsannonce einen passenden Ehemann. Wenn man(n) jedoch selbst jemanden kennenlernen möchte, auch außerhalb des Dorfes bzw. national in Sri Lanka, so wählt man einfach irgendeine Nummer. Man wartet ab, ob sich ein Mann oder eine Frau meldet und im besten Fall lernt man die Liebe seines Lebens kennen. Wie bei Pradeep geschehen, er ist glücklich mit seiner Frau verheiratet und die beiden haben auch schon eine Tochter.
Mit der Zeit lernt man immer mehr über die Menschen und die Kultur kennen, auch über Probleme.
Bei einem kleinen Spaziergang mit Alli und Ednas Tante Renate, die für 7 Wochen zu Besuch war, hatte ich die Möglichkeit, einmal in eine ehemalige Lehmhütte hineinschauen zu können. Es war die eines Angestellten, welcher von Alli und Edna schon ein neues Häuschen gleich daneben bekommen hat. Ich war wirklich sprachlos! Das waren 2 sehr kleine Räume, wovon einer als Küche diente. Ich konnte und kann mir immer noch nicht vorstellen, wie darin mehrere Menschen leben können. Dahingegen ist das neue Haus richtiger Luxus – zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und Küche, außerdem noch ausbaubar. Mit dem Stromanschluss, den es seit ca. Mai gibt, können sich viele zudem auch noch einen kleinen Fernseher leisten, worauf sie ganz stolz sind. Mir wurden gleich die Funktionen des Wundergeräts gezeigt, inklusive Bollywood-DVD.
Ich muss dazu aber auch sagen, dass Alli und Edna nicht einfach so Häuser in die Gegend bauen. Die Menschen, die es bekommen sollen, müssen es wirklich wollen und sich auch aktiv am Bau beteiligen.

Meine ersten zwei bis drei Wochen waren leider sehr verregnet. Meist mittags hat es angefangen, wie aus Kübeln zu schütten. Mit einem Regenschauer in Deutschland ist das wirklich nicht zu vergleichen: Das ganze Tal zieht zu und der Regen ist so laut, dass man sich nur noch lautstark unterhalten kann.
Dazu kamen noch Gewitter, jeden Mittag donnerte es gewaltig. Beim Donnern blieb es leider nicht. Eines Nachmittags wurde es sehr heftig.
Edna, Upul, Sameera und ich standen in der Küche. Edna wollte gerade Kaffee zubereiten, wir anderen waren an die Theke, die eine Metallschiene am Rand hat, gelehnt. Plötzlich schlug ein Blitz mit ohrenbetäubendem Lärm vielleicht 20m von uns entfernt in einen Baum und vermutlich ein Querschläger in die Lodge ein! Wir alle spürten den Blitzschlag: Ich merkte richtig, wie der Strom von links nach rechts durch die Metallschiene und von oben nach unten durch meinen Körper schoss. Edna traf das gleiche „Schicksal“, ihr war zudem noch das T-Shirt ein Stück hochgerutscht, sodass sie sich leicht verbrannte. Zum Glück hatte sie uns zuvor noch angewiesen, ja Gummischuhe bzw. Flip-flops anzuziehen. Diese leiten nämlich nicht, was bei dem nassen Boden auch dringend notwendig war! Auch Hund Jenny hat den Blitzschlag gespürt und war von da an immer sehr ängstlich, wenn es anfing zu Donnern. Nicht nur Jenny – ich ehrlich gesagt auch. Von da an hab ich mich bei stärkeren Gewittern auf mein Bett oder auf einen Stuhl verzogen und mich nicht fortbewegt. Was fast genau eine Woche später auch definitiv von Vorteil war, denn erneut schlug ein Blitz ein! Da haben wir zum Glück nichts gespürt, weil wir auf verschiedenen Matratzen und Stühlen verteilt waren. Wir nicht, die Arbeiter schon, barfuß, erneut in der Küche… Diesmal schlug der Blitz in einen der Bungalows ein, in dem sich zum Glück in dem Moment niemand befand! Vom Dach wurden die Dachpfannen geschleudert, ein handtellergroßes Loch entstand und Holz vom Dach lag auf der Terrasse herum. Drinnen gab es einen kleinen Kabelbrand.
Beim ersten Blitzschlag hat es die Solaranlage ziemlich mitgenommen, die keinen Schutz hatte. Somit waren wir von da an auf den Kerosingenerator und staatlichen Strom angewiesen.
Staatlicher Strom – das ist so eine Sache für sich. Wenn wir Glück hatten, gab es mehrere Stunden Strom ohne Unterbrechung um die Waschmaschine laufen lassen zu können. Wenn wir Pech hatten (und das hatten wir leider ziemlich oft) stattete uns das elektrische Wunder einen kleinen Vormittagsbesuch ab und verschwand zwei Stunden später wieder. Abends standen Lese- und Taschenlampen hoch im Kurs; nachdem der Generator ausgeschaltet wurde. Der wurde zum eigentlichen Stromlieferanten für uns. Einmal kam es nämlich zu einem ziemlich ungeschickten Vorfall: ein Singhalese meinte, er müsste einen Baum fällen. Der fiel unglücklicherweise genau auf die Stromleitung, und unser Strom war endgültig zwei Tage weg. Trotzdem ließen wir uns nicht den Luxus nehmen, abends noch den Generator anzuschmeißen und gemeinsam eine DVD anzuschauen.

Mit Alli und den Gästen hatte ich immer die Möglichkeit, bei Ausflügen teilzunehmen. So ging es zum Beispiel in den Udawalawe-Nationalpark. Auf dem Hinweg durchquerten wir wunderschöne Landschaften! Vom Dschungel zu einer an Europa erinnernde Landschaft über Teeplantagen, die wie sanfte Teppiche aussehen, bis hin zur Steppe. Im Nationalpark freute ich mich vor allem auf die Elefanten. Aber wie das Schicksal es so will, bekamen wir lediglich eine Hand voll zu sehen… Das wurde auf jeden Fall auf dem Rückweg zur Lodge entschädigt: Wir hielten an einem Traumstrand und ich war so von den Socken, dass alles andere egal war.
Bei mehreren Kajaktouren bekam ich auch die Möglichkeit, die faszinierende Tierwelt an einem Zubringer des Bentota Ganga zu entdecken. Da schwebten die unzähligen Eisvögel über das Wasser und in den Bäumen trieben die Purple Faced Leaf Monkeys (Weißbartlanguren) ihr Unwesen.
Aber auch die Dschungelwanderung war spannend! Zum einen hatten wir Glück und uns lief eine sehr kleine Viper (Giftschlange) über den Weg, die Alli mit seinem geschulten Blick sofort gesehen hat. Zum anderen fühlte ich mich im Dschungel wie in einer eigenen Welt. Komplett eingeschlossen, man sieht teilweise nicht mal mehr den Himmel, weil die Bäume so hoch hinauf ragen und eine dichte Krone bilden. Abenteuerlich wurde es bei einer Flussüberquerung, wo bei Hochwasser einmal die Brücke abgerissen worden war und jetzt nur noch ein Baumstamm übrig geblieben ist. Also hieß es: Gleichgewicht wahren und langsam drüber. Am besten ohne reinzufallen. Nass war ich sowieso schon, bei der Luftfeuchtigkeit eine Wanderung zu unternehmen, schlaucht. Bei einem leichten Aufstieg fielen mir zwei Besen auf, die an einen Baum gelehnt waren. Ich fragte Alli nach dem Sinn von Besen im Wald und er erklärte mir, dass die Menschen, die den etwas höher gelegenen „Dschungeltempel“ mit Essen versorgen, eben darauf achten, dass nicht zu viel Laub auf dem Pfad liegt. Finde ich persönlich sehr sinnvoll – fegen im Wald.
Des öfteren fuhren wir auch nach Colombo oder Galle, um einzukaufen. Das war schon eine Umstellung für mich, nicht einfach kurz in den nächsten Supermarkt fahren zu können, wenn z.B. mal die Milch ausgeht. Die und vieles anderes gibt es nämlich nicht in Pelawatta oder Pitigala, den nächstgrößeren Dörfern. So mussten wir oft die mehrstündige Fahrt auf uns nehmen, um an Lebensmittel zu kommen.

Mit der Ankunft meiner Mitpraktikantin Sabine Ende Oktober saßen dann teilweise (mit Gästen) vier Schwaben am Tisch. Sabine und ich kommen zufällig beide aus dem Umkreis von Stuttgart.
Da Sabine Englisch auf Lehramt studiert hat, wollte sie natürlich auch in der Pre-School und weiterführenden Schule unterrichten. Ich schloss mich dabei an und so lernte ich noch eine weitere Facette des Landes kennen.
In der Schule, wo auch Jessica (die Tochter von Alli und Ednas Geschäftspartnerin) unterrichtet wird, wird sehr viel wert auf die Schulkleidung gelegt. Die besteht bei den Mädchen aus einem weißen Kleid, weißen Turnschuhen und Zöpfen mit Schleifen. Ich wusste gar nicht, wie ich in der Einheit Jessica herausfiltern sollte, denn wirklich alle sahen von hinten gleich aus! Die Jungs haben sich ebenso komplett weiß zu kleiden. Mir fiel auf, dass fast jede Schulkleidung sauber und ordentlich gebügelt war – der Sinn hinter der Farbwahl: man erkennt sofort wenn die Schulkleidung dreckig ist. Bei einer ca. 15-minütigen Morgenzeremonie wird Buddha angebetet und die Nationalhymne gesungen. Die Klassenzimmer kann man beim besten Willen nicht mit unseren vergleichen: Tische und Bänke sind einfache Konstruktionen aus Brettern, die dadurch auch ziemlich wackelig sind. Während einer Unterrichtsstunde saß ich hinten drin und hörte Sabine zu, wie sie unterrichtete. Neben mir, außerhalb des Klassenzimmers (die Klassenzimmer sind offen, es gibt keine Fenster) sammelten sich immer mehr Jugendliche an, die mich anstarrten und wohl über mich redeten. Der Englischlehrer gab sich zwar alle Mühe, zu übersetzen, gab aber irgendwann auf. Ein Mädchen zeigte auf einmal auf ein Haargummi, das ich um mein Handgelenk trug. Ich gab es ihr, weil sie eben drauf zeigte, dachte aber eigentlich, dass sie es mir zurückgeben würde. Pustekuchen: Sie bedankte sich und war total glücklich, dass sie ein Geschenk von mir bekommen hat. Daraufhin wollte ein Junge ein Bob-Marley-Armband gegen mein schwarzes Haargummi eintauschen. Vermutlich dachten sie, dass diese in Deutschland jetzt in Mode wären. Er wurde dann aber vom Englischlehrer verscheucht, der wohl sah, wie unangenehm mir die Situation war.
In der Pre-School werden die Kinder von ca. 3-6 Jahren hauptsächlich in Englisch und Tanz unterrichtet – so kam es mir jedenfalls vor. Nachdem wir mit den Kindern mehr schlecht als recht englische Vokabeln durchgegangen sind, waren sie nicht mehr zu bändigen und rannten auf den Pausenhof um zu spielen. Zufällig war an dem Tag eine Tanzprobe für eine Aufführung, und so durften wir den kleinen, zurechtgemachten Schönheiten beim traditionellen Tanz zuschauen. Aber danach ging es erst richtig los mit tanzen: alle Kinder waren auf dem Hof versammelt, Bollywoodmusik drang aus den Lautsprechern und die Schulleiterin tanzte vorne Bewegungen vor. Sabine und ich wollten mittanzen, was zumindest ihr auch gelang. Mir jedoch nicht so, weil an jeder Hand mindestens zwei Kinder hingen, die mich einfach nicht loslassen wollten. Auch zum Schluss wurde von einem der Mädchen genau angegeben, wer auf unseren Schoß sitzen durfte.
Das war auf jeden Fall ein wundervoller Einblick in die Welt der Kleinen, auch wenn ich mich beruflich nicht auf Kinder ausrichten werde.

Im Nachhinein gingen die drei Monate viel zu schnell vorbei und ich würde sie wirklich gerne wiederholen. Ich bin sehr dankbar für alles, was Edna und Alli für mich getan haben und dass sie mir einen so wundervollen Einblick in das Leben auf Sri Lanka gaben! Pradeeps Abschlusssatz war: „But next time you come with your husband and children, right?!“. Das kann ich nicht versprechen, aber ich werde sicherlich noch einmal nach Sri Lanka reisen und dann bestimmt auch einen Abstecher auf die Lodge machen.

Marika Lenz