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Soziales Volontariat mit „50“?! Ein Praktikumsbericht von B.

Ein paar Monate Freiwilligendienst in Sri Lanka mit 50?
Als mir der Gedanke kam und ich mich bei Edna und Alfons bewarb, dachte ich, alle Welt wird mich für verrückt erklären. Nicht so die beiden. Sie waren sofort bereit, mich aufzunehmen und sich nach 20 jungen Menschen einmal auf das Experiment einer Gleichaltrigen einzulassen. Erstaunlich auch die Reaktion meines Umfeldes: Das Interesse daran, einmal für ein paar Monate die Berufslaufbahn zu unterbrechen, um in ein Entwicklungsland zu gehen und dort etwas Nützliches zu tun, scheint enorm zu sein. Selbst fremde Menschen kamen auf mich zu, um mehr über meine Pläne zu erfahren. Vielleicht spiegelt dieses Interesse einfach nurden Wunsch nach Abenteuer und Exotik wider, aber sicher spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass wir in Europa saturiert, in jeder Hinsicht abgesichert,und letztendlich auch sehr gestresst sind, oft, ohne das Gefühl zu haben, wirklich etwas bewegen zu können…

So ging ich also Anfang 2013 für drei Monate nach Yattapatha und um den Schluss vorweg zu nehmen: Es war eine sehr bereichernde Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte.
Allerdings war der Anfang schwierig. Als hyperaktive, mobile und entscheidungsfreudige Großstadtbewohnerin fand ich es schwer, mich an die Einschränkungen meiner Mobilität und Freiheit als Freiwillige in einem sehr überschaubaren Lebensraum am Rande des Dschungels zu gewöhnen. Überdies fand ich mich anfangs auch nicht sehr nützlich – ich hatte damit gerechnet, sehr viel mehr tun zu müssen und zu können. Zudem schien kaum jemand mein „contact/business English“ zu verstehen und meine Singhalesischkenntnisse reichten bei Weitem nicht aus zur Verständigung. So fühlte ich mich die ersten Wochen recht isoliert und irgendwie fehl am Platze.
Bezaubert hat mich aber von Anfang an der Ort, an dem ich mich befand: Die Lodge und ihre Umgebung sind ein wunderschönes Fleckchen Erde, geschmack- und liebevoll gestaltet und gepflegt von Edna und Alfons und ihren Mitarbeitern, die ich im Laufe der Zeit allesamt ins Herz schließen sollte.

Die richtige Freude an meinem Freiwilligendienst und große Fortschritte bei der Eingliederung kamendann auch nach ein paar Wochen, als ich begann, regelmäßig in die Preschool nach Pelawatta zu gehen und tageweise in einer Schule in einem anderen Nachbardorf „spoken English“ für Jugendliche und junge Erwachsene zu unterrichten. Vor allem die Arbeit mit den Jugendlichen, ihre hohe Motivation und ihr lebendiges Interesse an Europa empfand ich als große Bereicherung. Für diese jungen Menschen ist Englisch eine ganz wesentliche Voraussetzung für einen Studien- bzw. studienadäquaten Arbeitsplatz. Beides ist stark limitiert, der Wunsch, in Ermangelung des einen oder anderen Sri Lanka zu verlassen und anderswo sein Glück zu machen, groß. Die Schulausbildung ist zwar kostenfrei und die Alphabetisierungsrate höher als in dem ein oder anderen europäischen Land, aber die Qualität des Sprachunterrichts ist zweifelhaft.Ich versuchte, vor allem die jungen Mädchen, die sich klar hinter den Männern zurückhielten, obwohl ihre Sprachkenntnisse besser waren, zu ermutigen, das Wort zu ergreifen und auch offen Meinungen zu äußern (beides ist in srilankischen Bildungseinrichtungen ungewöhnlich). Im Gegenzug erzählten sie mir viel über die Traditionen, die das Leben der Frauen in Sri Lanka prägen. Der Unterschied zum westlichen Rollenverständnis ist schon enorm. Ich war verwundert über den Stolz, mit dem sie sich als traditionelle srilankische Frauen bezeichneten, aber ich konnte ihnen auch nicht guten Gewissens sagen, dass unser System in jeder Hinsicht besser ist.

Die Arbeit mit den Kleinen in derzweisprachigen Preschoolvon Pelawattamachte mir ebenfalls viel Spaß.Ich hatte noch nie mit Kindern gearbeitet und war ganz erstaunt, dass es mir so viel Freude machte. Wir malten, schrieben Buchstaben, tanzten oder tollten ganz einfach auf dem Schulhof herum. Ein wenig schockiert war ich, als die Kinder zum ersten Mal bei Schulschluss vor mir auf die Knie gingen und meine Füße berührten. Ein Zeichen der Ehrerbietung vor der Lehrerin, aber sehr gewöhnungsbedürftig für einen Europäer! Der Kontakt mit den Lehrern beider Schulen war gut und interessant. Ich traf Menschen, die sich ganz bewusst bemühten, Bildung in diese arme ländliche Gegend Sri Lankas zu bringen, obgleich sie in Colombo oder an der Küste wesentlich bequemer leben könnten. Der Umfang des verbalen Austauschs variierte zwar starkje nach Sprachkenntnissen, aber mittlerweile hatte ich auch gelernt, dass ein Lächeln oft viel mehr bedeutet als Worte.

Schließlich eroberte ich mir auch ein Stück Autonomie undMobilität zurück, indem ich mit der Zeit lernte, Busse (Geduld und Schlaglochresistenz ist erforderlich) und Bahnen zu nutzen, mit Tuktukfahrern zu verhandeln, Transfers zu organisieren und mit der nicht immer gewünschten Aufmerksamkeit bzw. Positivdiskriminierung umzugehen, die einem als weißem Europäer in Sri Lanka entgegengebracht wird.
Am Ende der drei Monate war ich dann traurig, als es hieß, Abschied zu nehmen und in ein noch winterlich kaltes Europa zurückzukehren. Als ich ging, zählte Edna noch mal vorsichtshalber ihre Belegschaft, einschließlich Vierbeiner, nach, um sicher zu gehen, dass niemand fehlte -). Leider war mein Koffer nicht groß genug…

Zurück in Europa fiel es mir in den ersten Wochen wirklich schwer, mich wieder in mein bisheriges Leben einzuordnen, geschlossene Schuhe und förmliche Kleidung zu tragen, nicht mehr ständig zu lächeln, erst entscheiden müssen, in welchem Supermarkt ich einkaufe und dann, welche der 20 verschiedenen Schokoladensorten ich kaufen soll. Brauchen wir das alles wirklich? Macht es uns zufriedener? Sind wir Europäer angesichts der Menge an täglich produziertem Müll, unserem Energieverbrauch und unsere Scheidungsraten nicht in vieler Hinsicht entwicklungsbedürftiger als manches Entwicklungsland? Der Aufenthalt in Sri Lanka hat Fragen aufgeworfen und lässt mich nunManches aus anderer Sicht sehen.

Sri Lanka hat jedenfalls einen festen Platz in meinem Herzen bekommen. Ich lerne weiterhin Singhalesisch und habe mir vorgenommen, zurückzukommen und den Englischunterricht auf dem Lande fortzusetzen. Auch die Entwicklungsarbeit von Alfons und Edna möchte ich weiterhin unterstützen. Den beiden danke ich an dieser Stelle ganz herzlich für ihre Flexibilität und Geduld! Möge eure Unternehmung weiterhin erfolgreich sein!