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Praktikumsbericht von Merle

Da es aus organisatorischen Gründen nicht anders ging, verbrachte ich nur 5 Wochen bei Alli und Edna in Sri Lanka.
Kurz bevor ich mich in mein neues Abenteuer stürzte, begann ich zu zweifeln, ob es wohl die richtige Entscheidung war, völlig überstürzt in ein Land aufzubrechen, über das ich mich aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit gar nicht richtig informieren konnte.
Ich kann gar nicht richtig ausdrücken, wie froh ich bin, so spontan gehandelt und meinen Flug gebucht zu haben. Moment, vielleicht sollte ich mit meiner Geschichte etwas früher ansetzten. Ich habe letztes Jahr mein Abitur gemacht und für mich war es immer klar, dass ich die erste Zeit danach einfach nur reisen und Erfahrungen sammeln möchte. Ich stieß auf das Praktikum in der Singharaja Garden ECO-Lodge im Rahmen des Vereins „New home Beruwela e.V.“ und fast war es sicher: Ich würde nach Sri Lanka gehen. Dann erfuhr ich jedoch, dass die Visa ausschließlich für 3 Monate ausgestellt werden, doch ich war mir sicher ich müsse erst einmal für längere Zeit fort. Ich ging vor fast einem Jahr nach Kanada und suchte mir verschiedene Jobs, reiste durch Kanada und die USA und hatte eine unvergessliche und einzigartige Zeit bei dem Abenteuer, das sich „Work and Travel“ nennt. Der Gedanke, nach Sri Lanka zu reisen, nagte jedoch all die Monate an mir. Dann kam ich zurück und plante, mir wieder einen normalen Alltag in Deutschland aufzubauen. Als dies aber nicht gelang, war schon nach ein paar Tagen klar, dass ich wieder fort gehen musste. Meine Reiselust war noch nicht gestillt und ich fühlte mich in Deutschland fehl am Platz. Als wäre es Schicksal, las ich dann auf der Internetseite der Lodge, dass es eine Voluntärslücke für etwas mehr als einen Monat gab. Ich wusste sofort, dass dies mein neues Abenteuer sein sollte, buchte den Flug und regelte alles Weitere. Nach ein paar Wochen stand ich dann wieder am Flughafen und sagte meinen Liebsten auf Wiedersehen. Dabei lag ein strahlendes Lächeln (das die wenigen Wochen in Deutschland kaum jemand einmal bei mir gesehen hatte) auf meinen Lippen.
Nach einem Umstieg in Istanbul und ein paar Stunden auf den Malediven kam ich dann in Colombo an (ich war nicht wirklich müde, wahrscheinlich hat mein Körper sich langsam an Jetlags gewöhnt). Das war auch gut so, denn ich kam genau zum richtigen Zeitpunkt: Nach dem buddhistischen Kalender wurde Neujahr zelebriert und bevor ich zur Lodge gebracht wurde, waren wir direkt bei der ersten „Party“ in einer singhalesischen Familie eingeladen. Ich bekam schon in den ersten Tagen durch die Festlichkeiten die volle Dröhnung singhalesische Kultur. Wir waren bei einer Familie nach der nächsten eingeladen, aßen viel das landestypische Gericht „Reis und Curry“, spielten Spiele von denen ich bis zuletzt nicht verstanden habe worum es eigentlich ging und ich lernte gefühlt den ganzen Ort kennen. Einerseits war ich am Anfang mit den vielen neuen Eindrücken etwas überfordert, andererseits war ich begeistert, sofort in das echte Leben der Insel einsteigen zu können. Meine ersten Eindrücke von Sri Lanka habe ich in meinem Tagebuch mit den Worten „Grün, fruchtbar, prächtig, bunt, freundlich und arm“ niedergeschrieben. Wörter, die sich teilweise gegenseitig auszuschließen scheinen. Später erkannte und verstand ich, dass dieses Land eines voller Widersprüche ist und es nicht so leicht ist, diese vielseitige Insel, von nur der Größe Bayerns, mit ein paar Worten zu beschreiben.
Mit dem tropischen Klima hatte ich glücklicherweise wenig Probleme, dafür hatte ich jedoch anfangs Schwierigkeiten im Kommunizieren, besonders bei solchen eben genannten Feiern. Singhalesisch, englisch, deutsch? Ein Sprachenwirrwar der feinsten Art. Später wusste ich, dass ich mich einfach trauen musste und mit Hilfe von Händen und Füßen war es mit den Wochen immer einfacher sich mitzuteilen.
Nach einigen Tagen Eingewöhnungszeit kamen wir dann auf meine Arbeit zu sprechen. Ich möchte immer so viele Erfahrungen wie möglich sammeln und beschloss deshalb eine Mischung aus Praktikum in der Lodge und in der Vorschule im nächst größeren Ort „Pelawatta“ zu absolvieren. Die ersten beiden Wochen half ich somit in der Küche, bei der Verwaltung, beim Putzen und allen möglichen Dingen, die so in einem Hotelbetrieb anfallen. Dabei habe ich die Arbeit immer als sehr locker empfunden, womit ich mich erst einmal anfreunden musste. Ich kannte von meinen Jobs in Kanada pausenlos stressiges Arbeiten. Bald erkannte ich, dass es einfach eine völlig andere Lebensart ist, die Edna und Alli in Sri Lanka führen. Alles war so entspannt, so stressfrei und ausgeglichen. Ich erkannte, dass ich einen Gang zurück setzten musste und meine „Stress tut mir gut“-Mentalität ablegen sollte. Es herrschte kein Hierarchieverhältnis und ich fühlte mich von Anfang an in die kleine Familie aufgenommen. Dies ist ein Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt: Für mein Alter bin ich wahrscheinlich schon viel gereist und gerade im letzten Jahr lebte ich mich immer wieder an verschiedenen Orten ein und am Ende wollte ich nicht weg, weil ich mich so zu Hause gefühlt habe. Das war überall so. Dafür brauchte ich aber immer, egal wo, ein wenig Zeit. In der Lodge war dies das erste mal anders. Ich fühlte mich auf der Stelle wohl und natürlich war ich am Anfang, wie immer, etwas schüchtern. Allerdings habe ich mich keine Sekunde unwohl gefühlt. Diese Erfahrung war für mich einzigartig.
Während ich in Hotelbetrieben schon einige Erfahrungen gesammelt habe, hatte ich vorher noch nie mit Kindern gearbeitet und ich hatte Respekt vor meinem ersten Tag in der Vorschule. Eigentlich wollte ich nie mit Kindern arbeiten, aber auch diese Erfahrung wollte ich in Sri Lanka machen. Es stellte sich heraus, dass ich wahnsinnig viel Spaß hatte und zu meiner Überraschung richtig gut mit den Kleinen umgehen konnte. Am Anfang wusste ich nicht so recht was ich tun sollte, doch schon am zweiten Tag fing ich an einfach mitzumachen und mich einzubringen. Ich übte mit den Kindern die Zahlen und Buchstaben auf Singhalesisch, Tamil und Englisch zu schreiben und auszusprechen (vorher musste ich die natürlich erst einmal selbst lernen, was die Kinder äußerst amüsiert hat), wir bastelten Formen, malten Tiere und sangen zusammen. Alle gingen gern zur Vorschule und ich wurde daher jeden morgen von strahlenden Kindergesichtern empfangen. Ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe und über meine Grenzen gegangen bin, um somit etwas Neues für mich zu entdecken.
Zwischen meinen Arbeitstagen unternahmen wir immer wieder Ausflüge mit Gästen oder besuchten befreundeten Familien, wie die von der Projektpartnerin Kamani. Ich lernte wunderschöne Orte wie die Festungsstadt Galle kennen und freute mich immer aufs Neue etwas von dem faszinierenden Land zu sehen. Mein absolutes Highlight war ein zweitägiger Ausflug in den Udawalawe-Nationalpark. Ich erinnere mich, wie ich vorher voller Zweifel Alli fragte, ob wir denn wohl Elefanten sehen würden. Er lachte und erwiderte: „Eine ganze Menge.“ Ich glaubte ihm nicht so Recht und wollte nicht davon ausgehen, damit ich nicht enttäuscht werden würde. Letztendlich haben wir dutzende Elefanten und zahlreiche andere Tiere gesehen und ich empfand so viel Freude bei diesem Ausflug, dass ich noch heute ungeheures Glück empfinde, wenn ich daran denke.
Ich erfuhr in meiner Zeit bei Alli und Edna viel über die sozialen Strukturen, die Lebensweise und die Mentalität in Sri Lanka, den Buddhismus, über Yoga (in den täglichen Yogastunden mit Edna fand ich mein neues Hobby) und Ayurveda, Entwicklungshilfe und den Verein. Ich durfte in Form von Gästen oder Einheimischen wunderbare Persönlichkeiten kennenlernen und genoss den abwechslungsreichen Alltag in der Lodge. Ich liebte die schier endlosen Threewheelerfahrten auf der von Schlaglöchern übersäten Straße, den amüsierten Blick unseres Koches Upul wenn ich mal wieder versuchte, das Gemüse so lässig zu schneiden wie er es tat. Ich liebte die Affenschreie, die mich am frühen Morgen aus dem Schlaf rissen, das würzige Reis und Curry, welches mir so manches Mal die Tränen in die Augen trieb, die „Sitz-Fress-Partys“ wie Edna sie scherzhaft nannte bei singhalesischen Familien und all diese Kleinigkeiten, die ich heute sehr vermisse.
Ich hatte eine wunderbare Zeit mit Edna, Alli und allen Mitarbeitern der Lodge mit vielen tollen Erlebnissen und ich bin mir ganz sicher, dass dies nicht die einzige Reise in meinem Leben nach Sri Lanka war. Ich habe mich vom Land und den Leuten verzaubern lassen und freue mich sehr auf ein Wiedersehen!